Von der Freiheit eines Christenmenschen

Zu Luthers bekanntesten und meistgelesenen Werken gehört die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ aus dem Jahr 1520. Sie zählt zu den sogenannten „reformatorischen Hauptschriften“, in denen Luther die Fundamente und Grundgedanken der reformatori- schen Theologie endgültig ausformulierte.

Zunächst hatte er ja nur einzelne Punkte der kirchlichen Praxis kritisiert, insbesondere 1517 in seinen 95 Thesen das Ablasswe- sen. Doch hatte er darin zum Beispiel das Papstamt noch nicht grundsätzlich infrage gestellt. Gleichwohl wurde 1518 gegen Luther in Rom ein Prozess wegen Ketzerei eingeleitet. Im Laufe der Auseinandersetzung mit den Gegnern, die die römische Sei- te vertraten, besonders mit dem Ingolstädter Theologen Johan- nes Eck, wurde Luther immer klarer, dass auch die Fundamente der Papstkirche zu hinterfragen waren, etwa der Glaube an

die Unfehlbarkeit des Papstes und der Konzilien. Er legte seine eigene Sicht der Dinge im Laufe des Jahres 1520 in mehreren Schriften dar, die als „reformatorische Hauptschriften“ bezeich- net werden. Anfang 1521 kam es dann zum endgültigen Bruch, als Luther am 3. Januar von Papst Leo X. exkommuniziert wurde. Der Kern von Luthers Theologie ist der Glaube an die Rechtfer- tigung allein durch den Glauben, nämlich durch den Glauben

an Christus, der den Menschen erlöst. Damit erklärte Luther die Kirche als „Heilsanstalt“ für überflüssig. Die Macht der römi- schen Kirche beruhte aber gerade darauf, dass sie beanspruch- te, exklusiv das Heil durch ihre Sakramente und Gnadenmittel wie den Ablass zu vermitteln: Nur wer sich der Kirche unter- ordnete, konnte das ewige Heil erlangen. Der einzelne Gläubi- ge, vom einfachen Bauern bis zum Kaiser, hatte zu akzeptieren, was die Kirche lehrte und war abhängig von der Gnade, die sie vermittelte. „Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“, lautete ein alter Grundsatz.

Dem stellte Luther die Überzeugung gegenüber, dass jeder Glaubende unmittelbar durch den Glauben an Christus als Er- löser gerettet werde – auch ohne Vermittlung der Kirche.

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Luthers Freiheitsschrift, die – abgesehen von seinen Katechis- men – seine meistgelesene Schrift war, hat in der Folgezeit vor allem den Gedanken der Gewissensfreiheit geprägt. Freilich gibt es hier bei Luther selbst gewisse Spannungen. Dem inneren und dem äußeren Mensch entsprechen die beiden „Regimente“ (Re- gierweisen) Gottes, nämlich in der Kirche durch die Predigt und die Sakramente und in der Welt durch die Herrschaft der Obrigkeit, die die Guten belohnt und die Bösen straft und zügelt

– was für Luther ebenfalls ein Werk der Nächstenliebe ist. Einer christlichen Obrigkeit obliegt es in diesem Rahmen auch, in ihrem Bereich die rechte Verkündigung des Evangeliums zu för- dern und der Irrlehre zu wehren, notfalls mit Gewalt, „mit dem Schwert“. Dies steht in einer bleibenden Spannung zur Berufung auf das eigene Gewissen. Für Luther ist dies allerdings insofern keine Spannung, als für ihn die Schrift klar und eindeutig ist und jede abweichende Auslegung letztlich ein Zeichen von Irrtum und Unglauben ist.

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Pfarrer Dr. Klaus Neumann, Geslau