Josef Gabriel Rheinbergers "Stern von Bethlehem" ist romantische Weihnachtsmusik in Vollendung. In neun stimmungsvollen Bildern wird das Weihnachtsgeschehen von der Verkündigung des Engels, der Erscheinung des Sterns und der Anbetung der Hirten bis zur Huldigung der Weisen aus dem Morgenland lyrisch romantisch untermalt. Die Verse stammen aus der Feder von Rheinbergers Frau, der Dichterin Franziska von Hoffnaaß. Ihr gelang es, die Stimmung einer frommen weihnachtlichen Wärme zu erzeugen und den geliebten Komponisten zu seinem persönlichsten Werk zu inspirieren. Das Weihnachtsoratorium für Soli, Chor und großes Sinfonieorchester wurde am Weihnachtsabend 1892 in der Dresdner Kreuzkirche unter großem Beifall uraufgeführt. Noch während der Drucklegung des "Sterns" verstarb Franziska ("Fanny") von Hoffnaaß an Silvester 1892 nach langer Krankheit. Aus nie überwundener Trauer hat Rheinberger keine einzige der zahlreichen Aufführung ihres gemeinsamen Werks besucht.
Später sagte er einmal über die Kantate:
Der eigentliche Nerv der Musik ist die Sehnsucht nach einem Glück, das immer vor uns zurückweicht.
Auf der sprachlichen Ebene zeichnet das Werk zunächst im ersten Stück ("Die Erde schweigt") ein weites Tableau der Weihnacht: Alles erwartet den Heiland.
Im zweiten Satz ("O segne die Weide") wird kurz die Historie des Volkes Israel aus dem Munde der Hirten skizziert.
Der dritte Satz ("Fürchtet Euch nicht!") beginnt mit einem Sopransolo. Der Engel verkündet das Kommen des Heilands. Der Satz steigert sich zu einem mächtigen Alleluja durch den Chor.
Das vierte Stück ("Der Lichtglanz schwindet") zeichnet ein Bild von den zur Krippe wandernden Hirten.
Der fünfte Satz ("Gotteskind, wir beten Dich an") vergegenwärtigt die Verehrung durch die Hirten, die zur Krippe gekommen sind.
Kontrastreich ist der sechste Satz ("Zerstreuet euch, stürmende Wolken"). Die Weisen aus dem Morgenland reisen zur Krippe. Hier ist vor allem das „trabende“ Metrum des Orchesters hervorzuheben, in dem die Bewegung der Kamele zu hören ist. Zu höchster Dramatik steigert sich dieser Satz, als die Weisen an Herodes Palast abgewiesen werden und auch den Stern nicht mehr erblicken. Erst als sie die Stadt verlassen, erstrahlt er wieder und bleibt über der Krippe stehen.
Lieblich dagegen wirkt der siebente Satz ("O König du im armen Stall"). Die Weisen sind nach ihrer dramatischen Reise angekommen und beten das Christuskind an.
Im achten Satz ("Stille ist`s im heil`gen Raum") sinnt Maria, nunmehr alleine mit Joseph und ihrem Kind, über das Wunder ihres Kindes nach und wiederholt ihr Bekenntnis "Magnificat!".
Der letzte Satz ("Die Erde schweigt") greift sowohl auf der Textebene als auch musikalisch das Thema des Eingangssatzes auf, der Kreis schließt sich. Nur die letzte Strophe weicht ab vom Text des Eingangschores. Überraschend wechselt der Satz vom bekannten Motiv in eine strahlende Fuge ("Frohlocke, Welt,...").