Page 8 - index
P. 8

 Geschichte der Juden in Leutershausen
Ausschnitte aus einem Aufsatz von Barbara Eberhardt und Frank Purrmann
Am Sonntag, den 16. Oktober 1938, kam es zu einem örtlichen Pogrom gegen die Juden und ihr Gotteshaus,
die Synagoge, die vollkommen zerstört und geschändet wurde. Die Synagoge wurde an diesem Tag mehrfach zum Ziel antisemitischer Zerstörungswut. Vermutlich wurde bereits in der Nacht vom 15. auf 16. Oktober in das Ge- bäude eingebrochen. Nachmittags fand sich eine „größere Menschenmenge, zunächst Jugendliche und Kinder, dann aber auch Erwachsene“ bei dem jüdischen Gotteshaus ein. Der Beschreibung eines Rädelsführers zufolge war es „eine Mordsgaudi und es lag alles umher. In der Mitte der Synago- ge stand ein pultähnliches Gestell. Auf dieses stieg ich, nahm ein Buch das dort lag, besah es, konnte aber nichts lesen, weil es hebräische Schriftzeichen enthielt. Plötzlich wurde das Pult von einigen Buben umgeworfen. Mir gelang es noch herunter zu springen. Ein anderer Bursche hat mit einer lan- gen Stange die Glühbirnen an dem Kronenleuchter zerschla- gen.“ Ein weiterer Ortsbewohner berichtete, er sei zur Syna- goge gegangen und habe auf dem Weg eine größere Anzahl von Personen gesehen. „Von diesen trugen einige Teppiche und Bücher aus der Synagoge. Ich ging dann auch auf die Synagoge zu und ging bis zum Eingang derselben. Als ich dort angekommen war, kam gerade das an der Empore ange- brachte Gitter aus Holz herabgeflogen. Gleich darauf wurde eine aus Holz gedrehte Säule zu mir hingeworfen. Diese traf mich an das rechte Knie. Diese Säule warf ich wieder in den Raum zurück.“ Außer dem erwähnten Gitter wurden auch die Bänke von der Frauenempore herab geworfen. Einige Jugendliche rissen die Opferbüchse aus ihrer Verankerung und versuchten, sie aufzubrechen. Der Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft zufolge fanden die Zerstörungen „in drei Etappen“ nachmittags, abends und nachts statt.
Nach den Zerstörungen in den Abendstunden gingen einige der Täter in das Gasthaus zur Sonne. In angetrunkenem Zustand begaben sie sich nachts zu den Häusern jüdischer Bürger. Ein Ortsbewohner berichtete später über die Zerstö- rungen bei seinen jüdischen Nachbarn: „Etwa um 23:30 Uhr hielt ich mich im Zimmer bei meiner Mutter auf. Plötzlich hörte ich ein Lärmen und Schreien von der Strasse her. [...] Ich habe gesehen, wie mehrere Männer mit einer Wagen- deichsel die Haustüre am Hause der Gebrüder Ignatz und Natan Jochsberger einstiessen. Sämtliche Fenster samt den Rahmen wurden eingeschlagen. Im Innern des Hauses wurde zusammengeschlagen, was nicht niet- und nagelfest war. Zu diesem Zwecke hatten sich natürlich die Täter in das Inne- re des Hauses begeben. Der Lärm und die Zerstörungen in dieser Nacht dauernden ungefähr 3 Stunden an.“ Auch bei
Synagoge Leutershausen Bildband 2 „Alt-Leutershausen und seine Ortsteile“ von Konrad Bickert
anderen jüdischen Ortsbewohnern brachen die zahlreichen Täter ein und zerschlugen Gegenstände. „Die geängstig-
ten Bewohner der Häuser flüchteten z. T. auf den obersten Boden ganz unter das Dach; dass sie nicht entdeckt wurden, war fast ein Wunder, weil die Nazibanditen mit Taschenlam- pen alles ableuchteten. Die Frauen und Kinder flüchteten in den anstossenden Obstgarten über eine Hecke und hielten sich längere Zeit verborgen, bis sie frierend und zitternd, weil sie nur ganz leicht bekleidet waren, in einem arischen Haus Unterschlupf fanden. Auch die Männer konnten sich trotz höchster Gefahr noch in einem arischen Haus verstecken, sonst wären sie wohl kaum mit dem Leben davongekom- men“, so erinnerte sich ein christlicher Ortsbewohner.
Am 17. Oktober flohen die meisten Juden und Jüdinnen aus Leutershausen.
 8
Leutershausen
























































































   6   7   8   9   10