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Leutershausen
Betroffen und hoffnungsfroh zugleich
Ein Blick voraus in diesen Gemeindebrief
Liebe Leserinnen und Leser,
schon das Titelbild dieses Gemeindebriefes mit einer schönen Ansicht auf Leutershausen im 19. Jahrhundert verrät es: In diesem Gemeindebrief geht der Blick zurück in die Geschichte.
Nach vorne schauen wir zwar auch, zum Beispiel auf die kommende Wahl der Kirchenvorstände am 21. Oktober (Seite 10-14). Aber es ist nun genau 80 Jahre her, dass in Deutschland die Hetze gegen jüdische Mitbürgerinnen und -bürger zu dem führte, was in einem etwas harm- los erscheinenden Bildwort oft als »Reichskristallnacht« bezeichnet wird: »Kristall«, weil da zunächst einmal viel Glas zerbrochen wurde, genauer gesagt: überall auf den Straßen verstreut lagen die Fensterglasscherben zerstör- ter Wohnungen, Läden, Büros, Synagogen und öffentli- cher jüdischer Einrichtungen.
Den eingeworfenen Scheiben folgte eine Vernichtungs- maschinerie ohnegleichen, mit millionenfacher Vertrei- bung, Enteignung, Verfolgung, Folter, Gefangenschaft und Ermordung.
Das vergessen wir nicht.
So schauen wir beispielhaft auf ein Vermächtnis, das uns von der einzig heute noch lebenden Leutershäuser Jüdin, Frau Ilse Unger aus Israel zuteil wird (Seite 4): »Meine Kindheit im Anfang war wunderbar...«, so sagt sie. Aber bald musste sie fliehen, und die schöne Kindheit fand ein brutales und jähes Ende.
Am 14. Oktober dieses Jahres werden wir, wie schon
in früheren Jahren, erneut in unserem Sonntagsgot- tesdienst der Menschen gedenken, die in jenen Tagen und Jahren des Schreckens die Hölle auf Erden erlebt haben (Seite 7). In Leutershausen wurde diese Hölle spätestens da offensichtlich, als am Sonntag, dem 16. Oktober 1938, das jüdische Bethaus, die Leutershäuser Synagoge, geschändet und zerstört wurde (Seite 8), die
Juden und Jüdinnen aus Leutershausen um ihr Leben fürchten mussten und tags darauf die Flucht ergriffen. Die Vernichtung der Synagoge an der Unteren Markt- gasse 6 bleibt eine schmerzliche und offene Wunde für das einstige Zusammenleben von Christen und Juden in dieser Stadt (Seite 9).
Mancher ahnt es kaum, wie dieses Zusammenleben ge- rade auch die deutsche Sprache nachhaltig geprägt hat (Seite 28).
Zugleich mit diesem Gedenken begeht Leutershausen sein 700jähriges Bestehen, womit der Blick noch einmal und noch weiter zurück geht, nun aufs Mittelalter und auch auf die von Kreisheimatpfleger Claus Broser in einem Vortrag am kommenden 13. Oktober gestellte Fra- ge: War Leutershausen eine »verhinderte Reichsstadt«? (Seite 28).
Der Vergangenheit fügt sich die Gegenwart an – sehr viel Gutes geschieht da. Dafür stehen unter anderem die diakonische Arbeit in Wohnpark (Seite 26) und Kinder- garten (Seite 25), die Sorge um wohnungslose Menschen (Seite 27), die Eine-Welt-Initiative (Seite 27), die Klei- der- und Schuhsammlung der deutschen Kleiderstiftung Spangenberg (Seite 24), die weihnachtlichen Schuhkar- tons (Seite 26), die »Tafel« und die Lebensmittelspenden zu Erntedank (Seite 21), und auf jeden Fall das gesamte Leben unserer Kirchengemeinde mit ihren Gruppen und Kreisen und ihren vielen so engagierten und wunderba- ren Ehrenamtlichen.
So schauen wir zurück, tief betroffen und nachdenklich, aber auch nach vorne, hoffnungsfroh und entschlossen, der Güte und Liebe Gottes unter uns Menschen den allerweitesten Raum zu schenken.
Dr. Rainer Schulz, Pfarrer

















































































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