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Juden in Franken – Erinnerungskultur vor Ort
Dr. Andea Kluxen und Dr. Gabriele Kluxen zu Gast im Evangelischen Bildungswerk
Unsere Sicht auf die »Geschichte der Juden wird fast ausschließlich mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem massenhaften Mord an jüdischen Bürgern verbun- den.« Mit dieser Feststellung eröffnete Frau Dr. Andrea Kluxen, Kulturreferentin und Bezirksheimatpflegerin für den Bezirk Mittelfranken, im Januar 2019 einen Vortrag im Lutherhaus über »Juden in Franken«. Jenen Jahren der Vernichtung ging jedoch eine reiche, fast 1000-jäh- rige »fränkisch-jüdische Geschichte« voraus. Zahlreiche »schriftliche und bildliche Quellen« berichten »über kulturelle Traditionen mit großen Gelehrten, eigenen religiösen Riten, fränkisch-jüdischen Dialekten, eigenen Bräuchen«, über »viele Synagogenbauten und über 100 jüdische Friedhöfe«.
Flüchtlinge
Nach Franken kamen Juden gerade auch als Flüchtlinge, schon früh entrechtet, gesellschaftlich isoliert, vertrieben aus dem Rheinland und dem Elsass und in ganz Europa immer wiederkehrenden Verfolgungswellen ausgesetzt. »Im 17. und 18. Jahrhundert kam es zu einer starken Zuwanderung von Juden in Franken, die die Region zu einer der am dichtesten besiedelten jüdischen« Gegenden Deutschlands werden ließ. Nicht unerwähnt ließ Andrea Kluxen jüdische Einrichtungen auch in Leutershausen, seit dem 15. Jahrhundert an wechselnden Orten die Sy- nagoge, auch »Judenschul« genannt, mit Lehrer, Vorbeter und Schächter, sowie ein »rituelles Bad«.
Volle bürgerliche Gleichstellung
Im 19. Jahrhundert wanderte eine große Zahl auch von bayerischen Juden aus wirtschaftlicher Not nach Nord- amerika aus. Andere zogen vom Land in die Städte und begannen, sich beruflich in der modernen Industrie und den Wissenschaften zu betätigen. »So trugen Juden wesentlich zur Industrialisierung Bayerns bei, die von Nürnberg ausging.« Seit »1871 erhielten dann auch die bayerischen Juden die volle staatsbürgerliche Gleichstel- lung«. In Leutershausen gab es »während der Weimarer Republik« nun endlich auch jüdische Mitglieder im Stadt- rat, im Turnverein, in der freiwillligen Feuerwehr oder im »Krieger- und Militärverein«.
Neue antisemitische Bewegungen
Dennoch entwickelte sich nach dem 1. Weltkrieg eine neue antisemitische, rassistisch geprägte Bewegung, und
»viele Antisemiten fanden früh in Fran- ken ein Betätigungs- feld«. »Schon Anfang der 1930er-Jahre waren Ausschreitun- gen von National- sozialisten auch in Leutershausen an der Tagesordnung.«
Dokumentations-
zentrum
Andrea Kluxen plädierte in ihrem Vortrag für die Pfle- ge einer umfassenden »Erinnerungskultur«, z.B. durch »museale Präsentation«, »Denk- und Mahnmale« sowie »Gedenkfeiern«. Zugleich unterstrich sie im Blick auf Gegenwart und Zukunft: »Judentum bedeutet nicht nur museale Darstellung, Mahnmale und Gedenktage. Es gibt ja ein durchaus leben-
diges Judentum.«
Neben Frau Dr. Andrea
Kluxen präsentierte
auch deren Schwester
Dr. Gabriele Kluxen, 2.
Bürgermeisterin der
Gemeinde Colmberg,
eine große Zahl von
kompetent kommen-
tierten Bildern zur
Geschichte der euro-
päischen Juden, zu Festen und Feiern, Friedhöfen und Sy- nagogen, erlittener Verfolgung und Diffamierung, Bevöl- kerungsstatistik, prominenten Vertretern des Judentums aus Kultur, Politik, Handel, Industrie und Wissenschaft. Es ist ihr erklärter Wille, in Colmberg ein jüdisches Museum bzw. Dokumentationszentrum zu etablieren. Wichtige Schritte dafür sind bereits gemacht, ein Konzept wurde und wird entwickelt, und mehrere Förderzusagen gibt es auch bereits. Auf diese Weise soll, am besten gemeinsam mit den umliegenden Nachbargemeinden, ein wichtiger Beitrag zu einer »Erinnerungskultur vor Ort« geleistet werden.
Dr. Rainer Schulz
    Adventskonzert: Chöre aus dem Dekanat Leutershausen erfüllten die Kirche mit Lobliedern.
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Leutershausen






































































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